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„Die Alte Fahrt Runde ist eine bei vielen gestandenen Kanuten beliebte Kanutour in der Mecklenburgschen Seenplatte...“ – so beginnt die Beschreibung unserer rund 36 Kilometer langen Tagestour auf der empfehlenswerten Seite www.flussinfo.net. Ob Susanne von den Zugvögeln, Roland, Dirk, Sebastian oder ich gestanden sind, mag ich nicht beantworten. Wohl aber sind wir an diesem Novembermorgen sehr früh aufgestanden und setzen fast planmäßig kurz 9.00 Uhr in Vipperow unsere Boote ein. Von der Kleinen Müritz aus wollen wir an der Südostseite der Müritz entlang zunächst zum Bolter Kanal paddeln. Von dort aus soll es durch die Alte Fahrt und die Seenkette bei Mirow zur Mirower Schleuse gehen. Über die Müritz-Havel-Wasserstraße wollen wir dann zurück an unseren Ausgangsort kehren.

 

„Ende November ist eine gute Zeit, die Mecklenburger Seen in ihrer Stille und herbstlichen Pracht zu genießen“, so hat Roland die Tour in seiner Ausschreibung angekündigt. Der verhangene Himmel unterstreicht diese Stimmung. Das Wasser ist spiegelglatt. Es ist ein wenig diesig. Das gegenüberliegende Ufer der Müritz ist nicht zu erkennen, wir scheinen uns auf dem Meer zu befinden. Das legt auch der slawische Ursprung des Namens Müritz „morcze“ nahe, was „kleines Meer“ bedeutet. Eine rot-grüne Fahrwassertonne, die ob ihrer Größe auch auf der Ostsee stehen könnte, vervollständigt das Bild. „Claassee“ ist ihr Name und sie markiert den Abzweig des Hauptfahrwassers in die Marina Claassee. Auch wenn sie heute hier fehl am Platze wirkt, dürfte sie dem ein oder anderen Freizeitsegler bei kräftigem Nordwestwind die schmale Zufahrt in den Retortenhafen gewiesen und damit seinen Kiel gerettet haben. Ebenso weist www.flussinfo.net darauf hin, dass bei der Befahrung der Müritz der Wind mitspielen muss.

Bald biegen wir in den Bolter Kanal ein. Mit ihm beginnt die Alte Fahrt. Bevor der Müritz-Havel-Kanal in den 1930er Jahren fertig gestellt wurde, war dies ein knappes Jahrhundert lang die einzige schiffbare Verbindung zwischen der Müritz und den Gewässern um Mirow und der oberen Havel. Heute hat er keine wirtschaftliche Bedeutung mehr und die ehemalige Bolter Schleuse, an der wir umtragen, ist außer Funktion gesetzt und zugeschüttet. Der Kanal ist heute ein wichtiger Lebensraum für den Eisvogel, von dem Susanne gleich zwei Exemplare sichtet. Als „Grünfink“, die Bezeichnung derTKV-ler im Jargon der Zugvögel, bin ich mit meinen Gedanken anderswo und bekomme das blaue Federvieh nicht zu Gesicht.
Auf der anderen Seite der Bolter Schleuse setzt sich die Alte Fahrt über den Carpsee und den Woterfitzsee fort. Uns begegnet nur ein Angler. Der mecklenburg-berlinische Dialog fällt knapp aus: „Is Euch nicht kalt?“ - „Nö!“ – „Geht also noch?“ – „Ja!“ – „Dann man noch gute Fahrt!“

 

Am Ende des Bolter Kanals bekommen wir zu spüren, dass die Saison für die Einheimischen beendet ist. Die Fahrwassertonnen sind eingezogen, wir haben Mühe, den Naturschutzbestimmungen zu genügen und im dicken Schilfgürtel die Durchfahrt zum Woterfitzsee zu finden. Dieser ist das nördliche Ende einer Seenkette, die rund 20 Kilometer über den Mirower See bis zum Vilzsee hinunter reicht. Die Uferstreifen sind mit Reet bestanden. Wir paddeln bis nach Granzow und machen an der dortigen Kanustation Rast. Im Sommer herrscht hier emsiges Paddeltreiben, jetzt ist alles verriegelt und verrammelt. Auch das Bistro Entenhausen liegt im Winterschlaf. So gibt es auch kein Eisbein, aber mitgebrachter Gemüseeintopf, Butterbrote und belgische Waffeln helfen über das Mittagsloch hinweg. Für eine lange Pause ist keine Zeit. Selbst in unseren Trockenanzügen kühlen wir schnell aus und außerdem wird es in drei Stunden dunkel. Vom Mirower See aus ist der Turm der Johanniterkirche, 1993 wieder hergestellt, durch die kahlen Bäume gut zu erkennen. Anhaltendes Glockengeläut begleitet uns während der Fahrt über den See. Bald biegen wir nach rechts in die Müritz-Havel-Wasserstraße ein. An der Schleuse tragen wir um.
Fast schnurgerade führt uns der Kanal in Richtung Sumpfsee, von wo es zurück in die Kleine Müritz geht. Hier fangen wir noch einmal herbstliche Stimmung und Stille ein, bevor wir an unseren Ausgangspunkt zurückkehren.
Eine lohnende Tour, die sicher auch im Frühjahr ihren Reiz hat, aber Ende November einen festen Platz im Fahrtenprogramm des TKV bekommen sollte. Vielen Dank an Roland für die gute Idee zu dieser Tour.

Fotos und Text Gero M.