Ende des Jahres verlasse ich leider den TKV nach mehr als 15 Jahren (die genaue Zahl kenne ich leider selber nicht) Mitgliedschaft. Im Verein habe ich mehrere Touren ausgeschrieben und geleitet, sowie den Kanadier-Kurs gemeinsam mit unterschiedlichen Vereinsmitgliedern, denen ich hiermit auch danken möchte, durchgeführt. Es gibt die unterschiedlichsten Arten sich zu verabschieden. Ich tue dies hier mit einer Geschichte für den Nachwuchs. Der Gewässer gibt es viele, und da ich beabsichtige, mich in Brandenburg anzusiedeln, hoffe ich, hin und wieder mal dem einen oder anderen auf dem Wasser oder beim Umtragen zu begegnen.
Der Mondsee
Eine wahre Paddlergeschichte?
Die Geschichte begann an einem frühen Freitag Nachmittag. Karl, so wollen wir unseren Helden nennen (der Name ist wegen des Datenschutzes vom Autor geändert), ein Paddler mit Leib und Seele, wollte mal wieder aufs Wasser. Mit einem Freund war Karl am Verein verabredet, der sollte ihn zum Mondsee fahren. Schnell waren die Sachen verpackt, auch das Zelt, zwar schon etwas in die Jahre gekommen und schon etwas verschlissen, wurde nicht vergessen. Das Boot noch auf den Dachträger und ab ging's.
Längs des kleinen Flusses, an dem der Verein liegt, stromaufwärts führt der Weg. Karl musste sich während der Fahrt die Geschichte seines Freundes anhören, weshalb der See eigentlich Mondsee heißt. Der Freund legte munter los: "Du wirst schon sehen, der Wald wird immer dichter, und letztendlich führt nur ein kleiner, gewundener Pfad zum See. Ich hoffe, du hast einen Bootswagen dabei. Das Wasser ist fast beängstigend ruhig und fast schwarz, Du wirst keine Spiegelungen sehen. Rund um den See stehen knorrige und bizarr aussehende Bäume. Es wird berichtet, diese Bäume seien Menschen, die das Spiegelbild des Mondes im See gesehen haben und verhext wurden. Das geschieht natürlich nur bei Vollmond! Ach ja, den haben wir ja in der kommenden Nacht."
Die Straße, auf der unsere Freunde fuhren, lag längst nicht mehr am Fluss. Auch die Stadt war schon lange nicht mehr zu sehen, als Karls Freund in einen schmalen Weg, der in den Wald führte, abbog. Der Wald wurde immer dunkler und dichter, genau wie der Freund vorhergesagt hatte. Nach ungefähr 10 Minuten Fahrzeit, von der Straße aus gerechnet, hielten sie am Ende des befahrbaren Weges vor einer alten, verfallenen Hütte, bei der selbst das Dach schon eingestürzt war. Aber es gab noch eine knarrende Tür, die wie von Geisterhand bewegt hin und her pendelte. Diese Hütte wird wohl früher mal von Holzfällern benutzt worden sein.
Das Boot war schnell abgeladen. Zelt und Schlafsack und all der Kram, den man für 2 – 3 Tage Paddeltour braucht, kamen ins Boot, und ab ging es in Richtung See. Auch der schmale Pfad war so wie in der "aufmunternden" Schilderung, die Bäume schienen immer enger zusammen zu rücken. Zwischen tief hängenden Ästen war letztendlich doch noch der See zu erkennen. Karl gefror fast das Blut in den Adern; die Bäume am Ufer, sie wirkten traurig und verlassen, obwohl sie doch am Waldrand und direkt am Wasser standen. Tief hingen ihre Äste, die fast die Wasseroberfläche erreichten. Einige der Bäume sahen aus wie Sagengestalten. Oder, vielleicht doch sogar wie zu Holz erstarrte Menschen?
Karl sagte gar nichts, denn er wollte vor seinem Freund nicht zugeben, dass er sich nicht mehr so sicher wie noch am Bootshaus des Vereins war. Schweigend wurde das Boot gepackt. Unser mutiger Paddler wollte heut noch bis zum Ende des Mondsees kommen und gleich hinter der kleinen Schnelle sein Zelt für die Nacht aufbauen. Entsprechend kurz war der Abschied. Karl war allein und eisige Kälte stieg in ihm auf!
Die Scheibe des Mondes war schon am Himmel zu sehen. Das Ende des Sees aber war noch lange nicht zu sehen. Beim Paddeln vergaß Karl die Geschichte wieder, denn er wollte ja noch unbedingt bis ans See-Ende und musste sich deshalb sputen. Die Kleine Schnelle am Auslauf meisterte er dann mit Bravour, legte an und begann sein Zelt in der aufziehenden Dämmerung aufzubauen. Nachdem er sich noch etwas zu essen gemacht hatte, standen schon die Sterne am Himmel. Der Mond stand, Gott sei Dank, so, dass er sich nicht im See spiegeln konnte. Hinzu kam, das sein Zelt ja unterhalb der Schnelle, und somit auch unterhalb der Seeoberfläche aufgebaut war. Jetzt, wo Stille einkehrte, war ihm die Geschichte wieder gegenwärtig.
Karl kroch in sein Zelt, von dem die eine Seite zu leuchten schien. Es war der Mond, dessen Strahlen auf das Zelt fielen. Karl schlief, nachdem er sich den Schlafsack bis über beide Ohren gezogen hatte, erst sehr spät ein. Aber, was war das? Das Zelt wackelte, als würde jemand an den Heringen zerren. Wütend kroch er aus dem Schlafsack, um nach dem Rechten zu sehen. "Vielleicht ist es ja irgend ein Tier", dachte er. Aber weit gefehlt! Es war eine ganze Gruppe wild durcheinander laufender und gestikulierender Trolle, die sich an seinem Zelt zu schaffen machte.
"Was soll das," schrie er sie an, als wäre es das Normalste auf der Welt, sich mit Trollen auseinander zu setzen. Erst nach kurzem Nachdenken wurde Karl bewusst: "Wieso finde ich das normal?" Es gab ein regelrechtes Wortgefecht darum, ob er hier überhaupt sein Zelt aufstellen dürfe, schließlich stehe er mitten auf einer alten Trollstraße. Ob er denn je gesehen hätte, dass ein Troll mitten auf einer Autobahn sein Zelt aufgebaut habe. Sie schienen die halbe Nacht zu diskutieren. Auch die Trolle untereinander waren sich nicht einig. Es war eine Elfe, die dem Ganzen mit viel diplomatischem Geschick ein Ende setzte. Man einigte sich letztendlich darauf, dass das Zelt am nächsten Morgen abgerissen werde. Der ganze Spuck war überhaupt nicht nötig. Karl wollte am nächsten Morgen sowieso weiter paddeln. Müde drehte er sich um; er wollte wieder ins Zelt und weiter schlafen. Sein Blick fiel über den Mondsee, in dem sich der Mond spiegelte. Karl riss die Hände hoch und blinzelte entsetzt in das Licht.
Es war die Sonne, die durch einen Spalt im Zelteingang genau auf sein Gesicht fiel. Es war fast Mittag, und Karl hatte viel zu lange geschlafen. Ein kurzes Bad im Fluss ersetzte die Morgendusche. Während das Zelt abgerissen wurde, kochte schon der Kaffee und nach einer Stunde war Karl wieder auf dem Wasser. Die "Trollstraße" war wieder freigeräumt. Nach einer nochmaligen Übernachtung im Zelt erreichte Karl ohne größere Schwierigkeiten am Sonntag den Verein. Sein Freund begrüßte ihn mit den Worten: "Ich dachte schon, du stehst jetzt auch als Baum am See!"
Ob Karl jemals wieder auf dem Mondsee war? Wer weiß? Weitere Geschichten über Trolle, diesmal aber ohne Paddler, findet Ihr auf meiner Web-Page: www.dietrolle.de
Allzeit eine Handbreit Wasser unterm Kiel wünscht...
Siegfried G.