Wochenend-Tour im November
Rund Fehmarn: Regelmäßig im Herbst findet die jetzt schon traditionelle Fahrt der Salzwasser Union um die nach Rügen und Usedom drittgrößte deutsche Insel statt. Da Starkwind und Sturm in den Oktobermonaten der vergangenen Jahren immer wieder zum Abbruch der Tour zwangen, wurde sie 2009 auf das vorletzte Novemberwochenende gelegt. Im langjährigen Mittel - so die Veranstalter - sei die Wahrscheinlichkeit, nicht Opfer eines Sturmtiefs zu werden, um diese Zeit größer. Der Nachteil liegt auf der Hand: Schon Heinrich Heine hat den November als den Monat beschrieben, an dem die Tage kürzer werden und so stehen uns kaum acht Stunden Tageslicht zur Verfügung, als Daniel und ich am Samstagmorgen um 8.00 Uhr im Trockenanzug und mit gepackten Booten im Hafen von Burgstaaken an der Fahrtenbesprechung teilnehmen. Die heutige Etappe soll ca. 35 Kilometer betragen. Die Windvorhersage ist günstig: In den vergangenen Tagen hat der Wind zwar heftig aus Süd bis Südwest mit bis zu 8 bft. geblasen, heute aber sagen alle Wetterdienste bei gleichbleibender Richtung Windstärken von lediglich 1 - 2 bft. voraus. Das wird keine Probleme bereiten. Da wir die Insel im Uhrzeigersinn umfahren wollen, werden wir vielmehr durch den Wind unterstützt werden. Trotzdem scheint auch diesmal wieder ein Fluch über der Tour zu liegen. Am Sonntag soll der Wind wieder bis zu 6 bft. zunehmen. Jedenfalls das letzte Stück der Umrundung von Staberhuk bis nach Burgstaaken zurück dürfte dann nicht zu schaffen sein.
Um 8.30 Uhr sitzen wir nach den typischen Aufwärm- und Dehnübungen der Salzwasser Union in den Booten. Wir sind acht Männer: Trenk, unser Fahrtenleiter, hat bei Daniels und meinem AKurs jeweils assistiert. Ich schätze ihn als einen guten Paddeltechniker, der präzise beobachtet und die Gruppe unaufgeregt führt. Ansonsten sind wir ein recht bunter Haufen aus allen Teilen der Republik.
Entlang des Tonnenstrichs verlassen wir den Burger See um etwa in Höhe der Steuerbordtonne Burg 3 das Fahrwasser zu queren. Bald fahren wir parallel zur Südküste Fehmarns auf die Fehmarnsund-Brücke zu.
Die Fehmarnsund-Brücke verbindet Fehmarn mit dem schleswig-holsteinischen Festland. Schon im 19. Jahrhundert hatte Gustav Kröhnke, ein in Glücksstadt geborener Ingenieur, die Idee einer direkten Verbindung zwischen Deutschland und Skandinavien mittels Eisenbahnfähren. In den 1920ger Jahren wurde die Idee dieser "Vogelfluglinie" von der Deutschen Reichsbahn und der Dänischen Staatsbahn aufgegriffen, konnte aber erst nach dem 2. Weltkrieg verwirklicht werden. Am 14. Mai 1963 wurde in Anwesenheit des Bundespräsidenten und des dänischen Königs mit der Fehmarnsund-Brücke und der Fährverbindung über den Fehmarnbelt die Vogelfluglinie in ihrer heutigen Form eröffnet. Anlässlich der Eröffnung gab die Bundespost eine Sonderbriefmarke heraus. Sie zeigt einen Kartenausschnitt von Deutschland und Dänemark, die Flaggen der beiden Länder, einen stilisierten Vogel und trägt den Aufdruck "Vogelfluglinie". Als Kind konnte ich den Begriff mit dem Rest der Darstellung nicht in Verbindung bringen. Heute ist das Vogelfluglinien-Projekt aktueller denn je. Wenn es nach dem Willen der Regierungen von Deutschland und Dänemark geht, bekommt die knapp einen Kilometer lange Fehmarnsund-Brücke in abseh-barer Zukunft eine 19 Kilometer lange Schwester, die dann Fehmarn und Dänemark über den Fehmarnbelt ver-bindet. Der Vertrag hierüber wurde im September 2008 zwischen Deutschland und Dänemark unterzeichnet. Die Fehmarnbelt-Brücke soll 5,6 Millionen € kosten. Und sie stößt auf massive Kritik. Der Fährverkehr ist gut organisiert und seine Kapazität noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Von ihm hängen viele Arbeitsplätze ab. Darüber birgt die neue Brücke erhebliche ökologische Risiken. Ihre bis zu 260 Meter hohen Pfeiler könnten sich zum tödlichen Hindernis für die Zugvögel entwickeln.
Wir versammeln uns vor der alten, ökologisch korrekten Brücke für ein Gruppenfoto. Das zieht sich etwas hin. Nach einigem Hin und Her stehen sieben Boote schön parallel nebeneinander. Und dann muss natürlich auch noch umgebaut werden, weil ja auch der Fotograf für zu Hause und so weiter.
Nach zehn Minuten geht es weiter und nachdem wir die Brücke unterquert haben, passieren wir gegen 10.00 Uhr den Leuchtturm Strukkamphuk. Mit seinen 3 Metern dürfte dieser Turm einer der kleinsten Deutschlands sein. Als Unterfeuer des Flügger Leuchtturms markiert er den Eingang des Fehmarnsunds. Wir fahren um Strukkamphuk herum. Das Wasser ist hier, wie an vielen anderen Stellen sehr flach. Deshalb gilt es, auf die weit in die Ostsee hineinreichenden Steine zu achten und nicht zu dicht am Ufer zu paddeln. In Höhe des Campingplatzs Strukkamp machen wir eine erste Pause. Von hier aus gibt es einen sehr schönen Blick über die Orther Bucht und man erkennt den gelben Sand des rund vier Kilometer entfernten Krummsteerts, einer kleinen Nehrung auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn die Sonne auch scheint ist es trotzdem zu kalt für einen ausgedehnten Aufenthalt. Nach 15 Minuten sitzen wir wieder in den Booten und queren die Bucht. Der Wind nimmt immer weiter ab und er hat sich fast gelegt, als wir am anderen Ende ankommen. Bald haben wir den Leuchtturm von Flügge im Südwesten Fehmarns erreicht. Der aus Backstein gemauerte Turm ist bis zur Spitze eingerüstet und hat sein bisheriges Gesicht vollständig verändert. Vor einigen Monaten sind die rot-weißen Kunststoffplatten, die ihm viele Jahre lang das typische Leutturm-Outfit gegeben haben, entfernt worden. 2010 soll sein saniertes Mauerwerk dann wieder in altem Glanz erstrahlen. Bei Flügge nehmen wir Kurs auf Nord. Rückwärtige Wellen aus Süd bis Südwest schieben uns die nächsten zwei bis zweieinhalb Stunden an die Nordwestspitze von Fehmarn. Nicht nur wir genießen dabei das ruhige und immer noch sonnige Wetter. Angler säumen die gesamte Westküste oftmals bis zu 25 Meter vom Strand entfernt im flachen Wasser stehend.
Gegen 14.00 Uhr haben wir das Markelsdorfer Huk erreicht. Weit auseinander gezogen fahren wird entlang der Nordküste mit einem Kurs von ca. 100 Grad. Den Übernachtungsplatz, einen Campingplatz am Niobe-Denkmal, erreichen wir um 15.00 Uhr. Er ist nicht zu verfehlen. Ein Schiffsmast weist schon von Weitem auf den Gedenkstein hin, der hier in einem menschenverachtenden Pathos an den Untergang des Segelschulschiffs Niobe im Juli 1932 erinnert: "Es ist nicht nötig, dass ich lebe, wohl aber, dass ich meine Pflicht tue."
Es wird jetzt schnell dunkel. Wir sehen zu, dass wir uns umziehen und bauen die Zelte auf. Um 20.00 Uhr liege ich im Schlafsack. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5.30 Uhr. Daniel und ich sind als erste auf den Beinen. Ich habe nicht sehr gut geschlafen, gefroren und hatte in der Nacht das Gefühl, mich erkältet zu haben. Mit anderen Worten: Ich bin in WeicheiStimmung und trage mich mit dem Gedanken, die Tour abzubrechen. Nach einigen Tassen Kaffee geht es aber schon besser. Gestern beim Abendessen, als in den Erzählungen die Touren immer länger, die Wellen immer höher und die Schrecknisse der Meere immer grausiger wurden, wurde von so mach wackerem Seekajakfahrer berichtet, den weder Schwindsucht noch Skorbut von der Weiterfahrt abhalten konnte. Was ist dagegen schon eine lausige Angina. So packe ich mit den anderen im einsetzenden Regen meine Sachen zusammen und ärgere mich über den unnötigen Ballast, den ich seit gestern mit mir herumschleppe. Irgendwie hatte ich vor der Fahrt das Bedürfnis, es mir diesmal besonders kuschelig zu machen und habe deshalb Unmengen an dicken Socken und zusätzlichen Fleece-Shirts mitgenommen. Mit Mühe bekomme ich die Lukendeckel zu, wobei ich mir schwöre, mein Gepäckmanagement bei der nächsten Tour drastisch zu verbessern. Mit den Bootswagen bringen wir die Kajaks an den Strand.
Als wir um 8.35 Uhr in den Booten sitzen, sind wir nur noch sechs. Zwei Mitfahrer haben aufgegeben. Der Wetterbericht hat bis zu 6 bft. aus Nordwesten angesagt, so dass wir wahrscheinlich nur bis kurz hinter Puttgarden kommen. Vielleicht noch gerade bis Marienleuchte. Allenfalls bis nach Klausdorf. Auf jeden Fall ist aber bei Staberdorf Schluss. Soviel steht fest. Wir fahren erstmal los. Hier an der Nordküste von Fehmarn ist von dem Wind nichts zu merken. Die Abdeckung durch die Insel führt zu einer Windstärke von 1 - 2 bft. Bald können wir die Fähren von Puttgarden nach Rødby sehen. Nach einer Stunde erreichen wir die Einfahrt des Fährhafens, der für jeden anderen Schiffsverkehr gesperrt ist. Nach der Querung des Fahrwassers drehen wir langsam auf einen südöstlichen Kurs. Bald nimmt der Wind zu und es fängt an, richtig Spaß zu machen. Meine Kränkelei ist wie weggeblasen. Daniel und ich machen gut Fahrt und so setzten wir uns - mit Erlaubnis des Fahrtenleiters - immer wieder von der Gruppe ab. Die Ostküste Fehmarns ist von Steilhängen geprägt, die uns eine gute Windabdeckung geben. Je mehr wir auf die Südostküste zukommen, desto weniger haben wir Lust, die Tour bei Staberhof zu beenden. Aber das Ganze ist natürlich trügerisch. Denn was sich tatsächlich vor der Abdeckung tut, wissen wir nicht. In Höhe von Staberhof kommen wir wieder zusammen. Jetzt gegen 13.00 Uhr sind wir noch alle fit. Die Entscheidung fällt einstimmig: Wir werden die Tour hier nicht beenden sondern Fehmarn umrunden.
Wir müssen die Südwest-Spitze von Fehmarn in gebührendem Abstand umfahren. Auch hier ist das Wasser sehr flach und die Gefahr groß, auf einen Stein aufzufahren. Anders als gestern drückt uns der Wind jetzt gegen die Küste, so dass wir sehr gut aufpassen müssen. Sobald wir um Staberhuk herum gepaddelt sind, verlaufen die Wellen parallel zu uns. Jetzt haben wir schönstes Seekajakwetter. Die Wellen sind rund einen Meter hoch - man erkennt es daran, dass Mitfahrer immer wieder vollständig hinter einem Wellenberg verschwinden. Wir paddeln kurz vor der Brandungszone, geraten manchmal hinein, aber der Druck der Wellen ist nicht sonderlich hoch. Lediglich einmal bricht eine Welle unmittelbar neben mir, so dass ich flach stützen muss, um eine Kenterung zu vermeiden. Ansonsten ist Zeit für die ein oder andere freiwillige Rolle. Uns ist relativ schnell klar, dass dies nicht die angesagten 6 btf. sein können und schätzen das Ganze auf rd. 4 bft., was sich im Nachhinein als richtig herausstellt. Vorbei an einigen Campingplätzen sehen wir bald die Hochhäuser von Burgtiefe. Zwei Stunden sind wir seit Staberhuk unterwegs, dann kommt die Sonne heraus und taucht das Meer in fahles Licht. Vor der Hafeneinfahrt versammeln wir uns. Dann geht es wieder entlang des Tonnenstrichs durch den Burger Binnensee nach Burgstaaken. Die Fehmarn-Umrundung ist zwei Tagen und nach 64 Paddelkilometern vollbracht.
Fotos und Text Gero M.