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Als Silke, Kay und ich am Donnerstagabend vor Ostern 2011 am Strand von Mommark unsere Hamburger und Bremer Paddelfreunde treffen, ist es fast windstill. Von den vorhergesagten 4 bis 5 bft., mit Böen von bis zu 6 bis 7 bft., die uns fast veranlasst hätten, die Tour weiter in den Norden zu verlegen, ist keine Rede mehr. Auch für den nächsten Tag sind moderate Verhältnisse angesagt und die Mittelfristprognose bis Montag geht davon aus, dass der Wind in den nächsten Tagen aus Ost bis Südost wehen wird. Die Umrundung von Ærø könnte in diesem Jahr also klappen und so halten wir nicht wie sonst auf die Nordspitze der Insel, „Skjoldnæs“, zu, sondern schlagen einen Kurs von 110° ein. Nach dem ersten Drittel frischt der Wind allerdings doch kräftig auf und bläst uns bald kräftig von vorn ins Gesicht. Fiese kleine Hackwellen machen den Lillebælt zu einer Kopfsteinpflasterstraße und Karl murmelt, seinen Pintail ob der relativ schlechten Spurtreue, die das Boot bei diesen Bedingungen an den Tag legt, abends am Lagerfeuer verfeuern zu wollen. Aber wir sind auch selbst schuld. Anstatt die Querung ruhig anzugehen sind wir einfach losgeheizt, ohne auf der Rest der Gruppe Rücksicht zu nehmen und ohne uns langsam auf die Ostsee einzulassen. Zehn Minuten nach unserer Ankunft auf Ærø trifft der zweite Teil unserer Gruppe ein und es hagelt deutliche Kritik, die Karl und ich wohl oder übel als berechtigt über uns ergehen lassen müssen.

Nach diesem etwas misslungenen Start nimmt die Tour nun einen besseren Verlauf. Wir fahren entlang der Westküste von Ærø Richtung Südosten und schlagen unser Lager in der Höhe von Dunkær Mark auf, wo es in der Nähe einiger Windräder eine schöne Zeltwiese gibt. Der Wind hat entgegen der Vorhersagen aufgefrischt. Wir sind unschlüssig, wie es am nächsten Tag weitergehen soll. Die eine Hälfte der Gruppe neigt zum Verweilen und zur anschließenden Rückfahrt Richtung Nordwesten. Die andere plädiert dafür, den Umrundungsplan fortzusetzen. Letztlich entscheiden wir uns erst am nächsten Morgen für die Umrundung: Die Vorhersage kündet weiter Wind aus Südwest an, aber der ist moderat. So müssen wir noch gut zwei Kilometer gegen den Wind anpaddeln, dann geht es um Vejsnæs Nakke Richtung Marstal, so dass wir Seitenwind haben. Wir bedauern unseren gemeinsamen Entschluss nicht. Bei Sonnenschein haben wir jetzt schönstes Seekajakwetter. Ralf, das erste Mal mit seinem Nordkapp auf See, merkt aber bald, dass diese Seitenwellen meist unter dem Boot durchlaufen. Nur ab und an bedarf es einer flachen Stütze, die wohl eher der Bestärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls dient, als dass sie paddlerisch notwendig wäre. Die Gruppe hat sich jetzt gefunden und der Ärger des Vortages verfliegt langsam. An der Südost-Spitze - Ærøs Hale - wird die Ostsee flacher und kabbeliger.

In Richtung Norden geht es an der Mole entlang in den Hafen von Marstal. Rolf Reinicke schreibt dazu in seinen „Inseln der Ostsee“: „Marstall ist eine kleine, aber sehr traditionsreiche Seefahrer-, Hafen- und Werftstadt. Um das Jahr 1910 hatten rund 400 größere Segelschiffe (meist ‚Marstal-Schoner’) den Ort als Heimathafen. Viele von ihnen liefen hier auch vom Stapel. Die kilometerlange Mole vor dem für eine so winzige Stadt ungewöhnlich großen Hafenhaben die Schiffer von Marstal im vergangene Jahrhundert nach und nach in ‚Eigenleistung’ aus Findlingen aufgeschichtet – fast 60 Jahre brauchten sie dazu.“ Heute liegen in Marstal neben den üblichen Segelyachten einige Museumsschiffe. Die Hafenanlagen sind dänisch propper. Im Hafenkiosk decken wir uns vorsichtshalber noch mit zusätzlichem Proviant ein. Schließlich liegen Ostern und eine unklare Versorgungslage vor uns. Nach gut einer Stunde nehmen wir Kurs Nord und halten mit schönen Schiebewellen auf Birkholm zu, die mit nicht einmal einem Quadratkilometer und 10 Bewohnern zweitkleinste bewohnte Insel Dänemarks. Als wir auf der Zeltwiese am Hafen an Land gehen, scheint es deshalb fast so, als hätten wir uns verfahren. An die achtzig Menschen jedweden Alters sitzen in der herrlichen Frühlingssonne am Strand und kochen Ostereier. Mit großem Hallo und einigen Kümmelschnäpsen werden wir begrüßt. Birkholm, auf dem es rund 10 gepflegte Backsteinhäuser und vielleicht drei Gehöfte gibt, wird vom Frühling bis Herbst als Ferieninsel genutzt. Die Birkholmer nutzen den Ostersamstag traditionell zum Eierkochen am Strand. Es wird gesungen und gefeiert und während wir unsere Zelte aufschlagen, erfahren wir alles über das beschauliche Inselleben. Wir sind froh, dass auch Karl offensichtlich hierbleiben will und nicht wie vor einigen Jahren mit den Worten weiterpaddelt, dann könne er ja gleich auf dem Bremer Freimarkt übernachten. Gegen fünf Uhr nachmittags löst sich die fröhliche Runde nach und nach auf. Am frühen Abend schaut der Hafenmeister vorbei, kassiert von jedem zwei Euro für die Übernachtung und holt den Danebrog ein.

 

Am nächste Morgen teilen wir uns auf. Die eine Hälfte der Gruppe will direkt an die Nordspitze der Insel zurückpaddeln. Manfred, Karl und ich wollen einen Abstecher über Hjortø, Skarø und Drejø machen. So geht es für uns drei zunächst weiter gen Norden. Nach rund fünf Kilometern erreichen wir Hjortø und Hjelmshoved. Vor Skarø passieren wir ein auch an diesem Sonntag morgen recht stark befahrenes Fahrwasser, das auch von der Fähre von Svendborg nach Ærøskøbig genutzt wird. Im Norden von Skarø reicht ein knapp zwei Kilometer langer Sandhaken, Skarø Odde, ins Meer, so dass wir weit herausfahren müssen.

Nachdem wir ihn passiert haben, geht es mit achterlichem Wind und einem Kurs von rd. 240° auf die Nordwestspritze von Drejø zu, die wir nach gut eineinhalb Stunden erreicht haben. Und dann geschieht es: Zum ersten Mal seitdem ich mit Karl Paddeltouren unternehme, steigt er während einer Pause aus seinem Boot. Aber dieser Ausstieg dient nicht etwa dazu, nach nunmehr 25 Kilometern ununterbrochener Keulerei etwas Atem zu holen. Karls Interesse gilt dem Ort selbst: Næbbesodde besteht aus einem Hochplateau, auf dem man noch vor einiger Zeit sein Zelt aufschlagen konnte und von dem man einen sehr schönen Blick auf Ærø haben dürfte. Aber in den vergangenen Jahren ist die Erosion fortgeschritten und die Steilküste ist an einigen Stellen abgerutscht. Einen Weg, der auf das Plateau hochführt, finden wir nicht und so ist die Welt dann nach zehn Minuten wieder in Ordnung. Während Manfred und ich noch die letzten Bissen unserer Käsebrötchen herunterschlucken, sitzt Karl bereits wieder im Pintail, der die Lagerfeuer der vergangenen Abende gut überstanden hat, und drängt zum Aufbruch. Mit 270° halten wir auf Næbbet zu, wo wir auf den Rest der Gruppe treffen. Am nächsten Morgen trennen wir uns von Karl und Ralf, die noch einen weiteren Tag in der Dänischen Südsee bleiben wollen und sich nach Lyø aufmachen. Bei spiegelglattem Wasser nehmen wir Kurs auf Mommark. Der Plan ist aufgegangen. Wir haben Ærø umrundet.

 

Fotos und Text Gero M.