Wir wussten, dass man besser im April oder Mai dorthin reist. Aber das ging nicht, und noch zwanzig Jahre warten wollten wir nicht. Nach ein paar Tagen Wellen- und Sicherheitstraining in der Bucht von Sami / Kefalonia legten wir ab. Griechenland erlebte gerade seine erste sommerliche Hitzwelle, wie wir später erfuhren. Wir stehen um 6 Uhr auf. 5 Uhr wäre zu früh, da ist es noch dunkel. Bevor wir abfahren, duschen wir noch mal auf einem Zeltplatz. Wir sind bereits erschöpft. Die Sonne brennt seit zwei Stunden auf uns nieder. Bei der Abfahrt wünschen uns ein paar Leute eine gute Reise. Die Boote liegen tief und wie Beton im Wasser, wir haben 50 Liter Wasser geladen, dazu 60 kg Gepäck und kiloweise Lebensmittel. Wir kommen uns wie eine Expedition vor, bloß unser Personal muss uns irgendwo abhanden gekommen sein. Der Tagesablauf wird von Wind und Sonne bestimmt. Da wir nachmittags und abends wegen der dann herrschenden Windverhältnisse nicht paddeln wollen, müssen wir unser Tagespensum am Vormittag schaffen. Brunchen ist nicht, auch Ausschlafen gehört nicht zu diesem Urlaub. Die Sonne brennt los, sobald sie am Horizont auftaucht. Also piepst der Wecker immer um 6 Uhr. Länger schlafen geht nur, wenn uns nach Osten eine Felswand schützt. Sonst würde das Packen zur reinen Qual.
In der Nacht scheint die Sonne meistens nicht. Dann freuen wir uns und genießen in der Dunkelheit ein Gläschen Roten. Aber Steine haben eine gute Speicherkapazität. Und daraus bestehen die Ufer der Inseln. Wir schlafen wie in riesigen Backöfen. Da Bäume fehlen, heizt die Sonne den Boden und die Felsen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf. Und so schlägt uns noch morgens beim Zusammenrollen der Matten die Wärme des Bodens entgegen. Zumindest sorgen die Winde ab Mittag für genügend Muße.
Die Wellen sind nicht immer so stark, dass man vom Wasser müsste, aber bei 5-6 bft in der Brandung an einem nicht erkundeten Strand anzulanden, ist wegen der Felsen überall im Wasser nicht geraten; sowieso sind Sandstände in dem Inselarchipel rar. Geankert wird also bald nach Mittag. Wir ankern mit Netzen, in die wir Steine sammeln. So bleiben die Boote mit der Ladung im "kühlen" Nass, während wir am Strand dösen. Wir selbst beschatten uns mit einem 2 x 2 m großen Sonnensegel. Viel Kühle bietet es allerdings nicht. Von dort beobachten wir dann das Schaukeln der Boote. Bei so mancher Welle denken wir: jetzt kippen sie. Tun sie nicht. Die Boote kippen ja höchstens durchs Unvermögen der Fahrer, und die sitzen ja nicht mehr drin. Da wir etwa 15 Stunden am Tag der Sonne ausgesetzt sind, verzichten wir weitgehend auf Sonnenmilch und schützen uns mit Kleidung. Wir tragen langärmlige Hemden, turbanähnliche Aufbauten auf dem Kopf und dicke Sonnenbrillen. So geschmückt gehen wir auch baden. Das nasse Hemd ziehen wir zwischen einem und der nächsten Bade -und Tauchgang manchmal gar nicht aus. Wir überleben die Nachmittage also zur Hälfte im Wasser. Und das Wasser ist himmlisch. Die Temperatur gerade richtig, das Blau und Türkis paradieshaft.
Viele Buchten, die wir ansteuern, haben keinerlei Pflanzenbewuchs. Und wir meinten, dass es auch keine Tiere gibt. Einmal lassen wir nachts unsere Bagage über den Strand verstreut weit weg vom Zelt herumliegen. Unsere kleine Bucht ist von einer meterhohen Felswand umschlossen. Was soll also schon passieren. .... Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen: Eine Ratte (?) hat begonnen, den Zwirn der Naht des Reißverschlusses einer Zölzertasche tatsächlich Stich für Stich aufzunagen. Irgendwann muss es ihr zu mühselig geworden sein und sie hat auf eine andere Taktik gesetzt. Das Ergebnis ist ein großes Loch und zwei angefressene Tomaten. Sie hätte sich ja auch unsere Wassersäcke vornehmen können …
Wenn wir morgens aufbrechen, ist das Meer mach mal spiegelglatt. Und wir sind verdammt allein. Die Segler sind erst da, wenn der Wind da ist. Es ist zweierlei, das Paddeln auf unseren Seen, umgeben von Land, und das Paddeln auf dem Meer, in der Ferne irgendwo eine Insel. Wir fühlen uns anfangs unsicher, als säßen wir das erste Mal im Boot. Bei unserer Überfahrt von Meganisi nach Kastos habe ich (Heike) die Paddelschläge gezählt. Es war was, woran ich mich festhalten konnte. Auf irgendwas über 4000 bin ich gekommen, wobei ich mich dauernd verzählt habe. So auf der Hälfte ein kleiner Kutter, mutterseelenallein, ein Fischer mit Hund und Papagei. Der Fischer singt lauthals. Als er uns sieht, erschrickt er, dann lacht er, ruft und zeigt: Patras ist in dieser Richtung.....Dort fahren die großen Fähren ab und das ist vielleicht 100 km entfernt. Dann kümmert er sich nicht weiter um uns und singt weiter, und bald sind wir wieder allein mit all dem Wasser. Als wir eine Woche später an der Stelle noch mal vorbeikommen, gibt es keinen Kutter, dafür Delphine ein paar Meter vor uns. Eindeutig größer und gefährlicher als Schwertwale, aber irgendwie überleben wir es.
Einmal gibt es Regen. Nein, es würde nicht regnen, sagt uns ein Einheimischer. Wir fragen, weil Wolken am Himmel sind. Regen gibt es im Sommer nie. Also stellen wir wie immer nur das Innenzelt auf. Das Außenzelt darüber zu stülpen ist dann in der Nacht ein fürchterliches Gemurkse. Als wir fertig sind und alles nass ist, hört der Regen auf. Zu Odysseus Zeiten müssen die Inseln ein Paradies mit viel Süßwasser gewesen sein. Wir sehen in vielen einsamen Buchten verlassene Gehöfte und versiegte Brunnen. Auch erzählt man uns, dass die ärmeren Leute früher für sich das Salz von den Steinen gesammelt haben. Durch den Fährverkehr ist ihnen diese Möglichkeit genommen. Die Fähren produzieren gewaltige Wellen, sie wandern über große Strecken übers Meer, und wenn sie aufs Ufer treffen, erlebt man es als kleinen Tsunami. Eines nachts hat uns so was im Zelt beglückt. Haben wir auch überlebt. Urlaub am Mittelmeer ist eben nichts für Weicheier.
Wir sind herumgeschippert zwischen Kefalonia, Ithaka, Meganisi, Lefkada, Kastos, Kalamos.