Diejenigen unter euch, die mich kennen, wissen, das ich seit einigen Jahren mit dem Surfski-Virus infiziert bin! Mittlerweile gibt es ja auch im TKV einen Vereins-Surfski, so dass den meisten von euch dieser immer noch etwas exotische Bootstyp bekannt sein dürfte. Leider sind die Gelegenheiten für mich als Binnenlandpaddler, den Surfski auf dem Meer zu nutzen, sehr selten. Hinzu kam dieses Jahr noch, dass ich an keiner der deutschen Surfskiveranstaltungen teilnehmen konnte. Daher war mein Interesse geweckt, als ich davon erfuhr, dass im September wieder der Ohana Mana Cup auf Sardinien stattfinden sollte. Der Ohana Mana Cup ist ein sogenanntes Downwind-Rennen, das schon zum wiederholten Male in der Bucht von Cagliari im Südwesten Sardiniens ausgetragen wird. Von der 2015er Veranstaltung gibt es auf YouTube einen schönen Filmbericht, der mir die Sache schmackhaft gemacht hat. Es gab starken Rückenwind mit entsprechenden Wellen, so dass die Erstplatzierten für die ca.25 km lange Strecke weniger als 1 Std. 40 min gebraucht haben! Auch wenn ich von solchen Fabelzeiten nur träumen kann, reizte mich die Aussicht auf gute Surfbedingungen bei schönem Wetter in traumhafter Umgebung.
Der Direktflug nach Cagliari war günstig und schnell gebucht. Die gesamte Veranstaltung war für eine Woche angesetzt, um dann den Tag mit den besten Downwind-Bedingungen für das Rennen auszuwählen. Da mir die Hotelübernachtungen am Veranstaltungsort viel zu teuer waren, hatte ich mir vorab einen schönen Zeltplatz in dem Ort Villasimius ausgeguckt, der nicht allzu weit von dem Veranstaltungsort entfernt war. Die Anreise mit Flugzeug und Bus verlief problemlos und der Campingplatz war sehr schön gelegen. Als erstes habe ich mir im örtlichen Fahrradverleih ein Trekkingrad ausgeliehen, um vor Ort mobil zu sein. Wie sich dann am nächsten Tag herausstellte, war der Veranstaltungsort dann doch um einiges weiter von meinem Zeltplatz entfernt, als es auf der Webseite des Veranstalters den Anschein hatte. Ich bin somit am nächsten Morgen erst mal 25 km die bergige Küstenstrasse entlanggeradelt um dorthin zu gelangen. Das war aber nicht weiter tragisch, da ich sowieso sehr gerne sportlich Rad fahre. Außerdem war die Strecke wirklich sehr schön mit tollen Ausblicken auf die Küste, die trotz des starken Tourismus noch nicht so zugebaut ist. Das Race Center befand sich in einem großen Ferienkomplex mit Animation und dem ganzen Schickimicki! Dort hatte ich mich mit Fredrik, dem Geschäftsführer der schwedischen Fa. Nordic Kayaks verabredet, der für mich einen Surfski reserviert hatte. Unten am Strand hatten auch noch andere Hersteller wie Vajda und Nelo ihre Stände mit Surfskis aufgebaut, aber es waren weder Paddler noch andere Hersteller zu sehen. Fredrik zeigte mir den Surfski, Modell: Squall +, den ich mir ausgesucht hatte, der mit knapp 6 Meter Länge und 49 cm Breite zu den stabileren Exemplaren gehörte. Das war auch ganz gut so, da an diesem Tag ein sehr starker auflandiger Wind blies! Die Brandung war zwar nicht sehr hoch aber recht unangenehm, da sie direkt am Strand brach. Ich hatte schon meine liebe Mühe, überhaupt das Boot zum Wasser zu tragen, da ich es in dem starken Wind kaum halten konnte! Nach einigen missglückten Startversuchen wollte ich es schon aufgeben, aber in einer etwas ruhigeren Phase bin ich dann doch ganz gut weggekommen. Das Boot lief gut und fühlte sich trotz des bewegten Wassers recht stabil an. Mir fiel ein Stein vom Herzen, da ich mir sehr unsicher war, ob das mit dem Paddeln überhaupt klappen würde.
Ich hatte mir nämlich vor dem Urlaub beim Wildwasserfahren im Harz die Rippen geprellt und das war noch lange nicht ausgeheilt! Es tat zwar immer noch etwas weh, aber es ging. Am nächsten Tag bin ich dann wieder hingefahren um bei etwas weniger Wind noch ein paar Trainingsrunden zu drehen. Dabei habe ich auch nochmal den Wiedereinstieg nach einer Kenterung geübt. Der ist beim Surfskifahren sehr wichtig, da man bei Downwindtouren oft kilometerweit von der Küste entfernt ist. Es klappte zum Glück auch mit diesem Boot problemlos.
Mittlerweile waren auch die meisten der Athleten eingetroffen und man konnte sich für das Rennen registrieren. Ich traf einige Bekannte, die ich von anderen Surfskiveranstaltungen kannte. Die Szene ist ja zumindest in Deutschland recht übersichtlich. Da war z.B. Michael Dobler, der zu den besten Surfskifahrern Deutschlands gehört und den Sport schon betrieben hat, als ihn hierzulande noch niemand kannte. Letztes Jahr konnte er bei sehr anspruchsvollen Bedingungen den 3. Platz beim Ohana Mana Cup belegen. Vor Ort traf ich auch eine Truppe vom KC Charlottenburg, die mit dem Vereinsbus die lange Strecke von Berlin nach Sardinien bewältigt hatte.
Das Rennen sollte dann am nächsten Tag stattfinden, was unter vielen Teilnehmern Verwunderung hervorrief, da ausgerechnet für diesen Tag die Windprognosen sehr schlecht waren. Um am nächsten Morgen den Shuttle Bus nach Cagliari zum Startort zu kriegen, war ich gezwungen noch vor 6:00 Uhr im Dunkeln aufzustehen. Ich musste ja wieder die lange Anfahrtstrecke mit dem Rad zurücklegen und ich wollte mich nicht schon vor dem Rennen verausgaben. Als ich dann rechtzeitig beim Race Center ankam, erfuhr ich dass der Start um eine Stunde nach hinten verschoben wurde! Dumm gelaufen! Da hätte ich auch noch länger pennen können! Als ich mit den anderen Teilnehmern am Strand in Cagliari ankam wurde es für mich nochmal ziemlich hektisch. Ich hatte mein Paddel und die Schwimmweste immer auf einen der Bootsanhänger beim Race Center deponiert, da ich die Sachen nicht jedes Mal mit dem Fahrrad zurück zum Campingplatz nehmen wollte. Leider waren meine Sachen jetzt unauffindbar! Ich war reichlich genervt und hatte das Rennen schon abgehakt, aber die Jungs von Nordic Kayaks waren so nett mir Paddel und Schwimmweste zu leihen. Kurz vor dem Start haben sich dann die Sachen aber doch wieder angefunden. Mir blieb gerade noch Zeit, meinen vom Veranstalter zur Verfügung GPS-Tracker in Empfang zu nehmen, der im Falle eines Notfalls dafür sorgen sollte, dass man mich auf dem Wasser orten kann. Da das Rennen gleichzeitig als Surfski-Europameisterschaft ausgetragen wurde, war das Teilnehmerfeld entsprechend groß. Es müssen an die 200 Teilnehmer aus zig Nationen gewesen sein.
Der Start verlief problemlos und ich kam anfangs ganz gut voran. Die Spitzengruppe zog in einem unglaublichen Tempo davon und war schon bald kaum noch zu sehen. Leider war es nahezu windstill und sehr warm. Nach ca. einer Stunde anstrengender Flachwasserschrubberei war meine Motivation ziemlich im Keller! Es waren partout keine Wellen zum Surfen in Sicht! Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt! Hinzu kam noch, dass sich meine schmerzende Rippe jetzt doch wieder bemerkbar machte. Als mir daher ein Rettungsboot entgegen kam, das schon mehre Surfskifahrer aufgenommen hatte, beschloss ich spontan, das Rennen abzubrechen und mich an Bord nehmen zu lassen. Während ich auf dem Rettungsboot saß, deren Eigner nicht so recht zu wissen schien, wo er uns hinbringen sollte, wurden wir vom Rest des Feldes überholt, das nicht mehr so groß war, da ich mich sowieso schon recht weit hinten im Feld befand.
Nachdem wir schon eine ganze Weile auf der Stelle rumgedümpelt waren, kam auf einmal, als ob jemand einen Schalter umgelegt hatte, der lang ersehnte Wind auf! Innerhalb kürzester Zeit bildeten sich auch kleine Wellen. Meine Motivation war plötzlich wieder da! Ich bat den Kapitän darum, mich wieder ins Wasser zu lassen. Jetzt war ich plötzlich ziemlich allein! Das Feld war entschwunden. Nur mit Mühe konnte ich noch das Ende des Feldes in einiger Entfernung ausmachen. Der Wind nahm zu und die Wellen wurden immer besser. Ich konnte jetzt immer öfter auch von Welle zu Welle surfen. Das entsprach schon eher dem, was ich mir vorgestellt hatte! Mittlerweile hatte ich auch ein paar Paddler wieder eingeholt. Wir waren jetzt weit draußen auf dem Meer, viele Kilometer vom Land entfernt. Vor mir konnte ich keine Paddler mehr sehen, so dass ich nicht mehr genau ausmachen konnte wo genau das Ziel ist. Ich fragte einen vorbeikommenden Motorbootfahrer und der meinte, der Zielort Solanas wäre noch hinter dem nächsten großen Kap. Na gut! Die Wellen waren mittlerweile super und es machte mir richtig Spaß! Erst als ich schon fast auf Höhe des Ziels war, bemerkte ich meinen Irrtum! Er hatte mir die falsche Richtung gewiesen. Nun musste ich den letzten Kilometer quer zu den Wellen fahren, was nochmal meine ganze Konzentration erforderte. Ich war mittlerweile auch ziemlich dehydriert und war froh als ich im Ziel war. Meine Zeit war natürlich durch den Aufenthalt auf dem Motorboot und das Verfahren am Schluss, selbst für meine Verhältnisse sehr schlecht, aber ich bin ja sowieso davon ausgegangen, dass ich disqualifiziert werde, da es natürlich nicht erlaubt ist während des Rennens auf ein Begleitboot zu steigen. Im Gegensatz zu den schnellen Paddlern, die schon fast im Ziel waren als der Wind aufkam, hatte ich zum Schluss immerhin noch ganz gute Downwind-Bedingungen und somit hat es sich dann für mich doch noch gelohnt! Im Nachhinein war es eine interessante Erfahrung, aber nur für diese Veranstaltung würde ich nicht nochmal hinfahren. Die ganze Organisation war recht chaotisch und die Entscheidung ein Downwind-Rennen bei Windstille zu starten fand ich sehr fragwürdig! Hätte man den Start um eine Stunde nach hinten verschoben, wären vermutlich alle happy gewesen. Ich habe dann noch eine weitere Woche auf Sardinien verbracht und neben einer weiteren Surfskitour noch einige schöne Radtouren gemacht. Die Ostküste ist wegen ihrer landschaftlichen Schönheit auch bei Seekajakfahrern recht beliebt. Ich war in den letzten 20 Jahren auch schon einige Male mit dem Faltboot dort unterwegs. Aber das ist eine andere Geschichte…
Michael von Einem
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