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Mai 2020

Ursprünglich hatten wir geplant, unseren Maiurlaub in Schweden zu verbringen, um an der westschwedischen Schärenküste zu paddeln, aber die Coronakrise hat unsere Pläne zunichte gemacht. Auf der Suche nach einer Rundtour mit Start und Ziel in Berlin studierte ich den bewährten Jübermann-Wasserwanderatlas, und dabei entdeckte ich eine Möglichkeit, von der Havel oberhalb von Havelberg in die Neue Dosse abzubiegen, um dann über den Rhinkanal, Kremmener Rhin und Ruppiner Kanal wieder zurück nach Berlin zu gelangen. Leider muß ich beim Studieren der Karte die zwölf Wehre auf der Strecke übersehen haben, aber dazu kommen wir noch.

Nachdem wir die kalten Eisheiligen abgewartet hatten, fuhren wir zum Wannseer Kanu-Club, wo unser bewährtes Triton-Zweier-Faltboot bereits aufgebaut lag.

Das Packen nahm eine Weile in Anspruch, da wir unsere gesamte Verpflegung für zwei Wochen dabei hatten. Um 14 Uhr ging es dann endlich los, und wir paddelten über Potsdam weiter nach Werder und fanden dann nach 27 Kilometern an einem kleinen Strand gegenüber von Töplitz einen schönen Platz für unser Zelt.

Am nächsten Tag paddelten wir bei immer noch kräftigem Gegenwind an Ketzin vorbei und fanden einen abgelegenen Lagerplatz auf einer Halbinsel ca. zehn Kilometer vor Brandenburg. Dort gefiel es uns so gut, daß wir einen Pausentag einlegten.

Katharina nutzte die Zeit zum Aquarellmalen. Während sie ruhig dasaß und einen Schwarzspecht malte, der seine Nisthöhle im Baum gegenüber hatte, tauchte plötzlich neben ihr in greifbarer Nähe ein Waschbär auf, der wenig Scheu vor Menschen zeigte. Er kam daraufhin immer wieder in unser Camp, um unsere Essensvorräte zu inspizieren. Wenn man ihm zu nahe kam, stellte er sich auf die Hinterbeine und fing an zu fauchen. Da bei uns nichts zu holen war, kletterte er behende wie ein Eichhörnchen selbst astlose Bäume empor und klaubte die Kohlmeisenküken aus den Bruthöhlen in den Baumstämmen!

 

Tags darauf kamen wir nach Brandenburg und legten in der Nähe eines kleinen Wehres an, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Als wir wieder ablegten, machten wir den Fehler, in einen Bereich zu fahren, wo es sehr flach war. Plötzlich hörten wir ein schabendes Geräusch, gefolgt von einem Gluckern! Ich rief Katharina zu: Scheiße! Ich glaube, wir saufen ab! Schnell zurück zum Steg! Am Steg mußten wir dann das Faltboot in Windeseile entladen, um dann das vollgelaufene Boot zu entleeren. Als wir das Boot endlich an Land hatten, sah ich das ganze Ausmaß der Bescherung! In der Bootshaut klaffte ein Riß von über 30 cm Länge! Es müssen dort sehr scharfe Metallteile unter der Wasseroberfläche gewesen ein. Anders konnte ich mir den Riß nicht erklären. Meine erste Reaktion war: Das wars! Die Tour ist gelaufen! Ich konnte mir nicht vorstellen, daß wir diesen langen Riß mit Bordmitteln geflickt bekommen. Katharina machte aber in ca. einem Kilometer Entfernung einen Ruderverein an der Havel ausfindig, bei dem wir freundlicherweise auf der Wiese unser Zelt aufbauen konnten. Den Nachmittag widmeten wir der Reparatur der Bootshaut. Glücklicherweise hatte ich genügend Flickzeug mitgenommen, und es war ein sonniger, trockener Nachmittag, so daß es uns tatsächlich gelang, den langen Riß in der Bootshaut zu flicken.

Somit konnten wir am nächsten Tag wider Erwarten unsere Tour fortsetzen, die in ihrem weiteren Verlauf über den Plauer See führte. Einige Kilometer hinter Pritzerbe übernachteten wir mit einer Gruppe von anderen Paddlern auf dem Gelände der Selbstbedienungsschleuse bei Bahnitz. Am nächsten Tag kamen wir durch Rathenow.

Da Himmelfahrt war, hatte der Motorbootverkehr stark zugenommen und viele schöne Plätze am Ufer waren von Anglern oder Partyvolk besetzt. Wir waren daher froh, daß wir kurz hinter Strodehne noch ein einsames Plätzchen für die Nacht fanden. Am nächsten Tag verließen wir dann nach ein paar Kilometern die Havel und bogen in die Neue Dosse ein. Bei meinen Recherchen im Vorfeld hatte ich nur sehr wenige Informationen zu diesen Kanälen finden können.

Bereits nach wenigen Kilometern tauchte das erste Wehr auf. Erfreulicherweise gab es auf einer Seite eine Art Fischtreppe, auf der wir unser Faltboot gegen die Strömung an der Leine hochtreidelten. Ein paar Kilometer weiter kam bereits das nächste Wehr.

Hier gab es leider keine Fischtreppe, so daß wir gezwungen waren, unser schwer beladenes Faltboot teilweise zu entladen. Das hieß, daß wir die gut zugängliche, schwere Essenstasche sowie die Wassersäcke aus dem Boot nahmen und dieses dann mit vereinten Kräften eine steile grasbewachsene Böschung hochzogen, was sehr anstrengend war! Oft konnten wir das Boot dann durch das Gras auf die andere Seite des Wehres ziehen, da es zum Tragen immer noch zu schwer war. Unnötig zu erwähnen, daß diese Art der Behandlung nicht gerade materialschonend war, aber das Boot jedes Mal ganz zu entladen war uns einfach zu aufwendig. Hin und wieder kam auch der Bootswagen zum Einsatz, wenn die Umtragestrecken zu lang waren oder das Gelände ein Ziehen des Bootes nicht zuließ.

Dieses Procedere wiederholte sich mehrmals am Tag, und wir kamen entsprechend langsam voran. Belohnt wurden unsere Mühen durch eine völlige Einsamkeit auf dem Wasser, da aufgrund der vielen Wehre keine Motorboote fahren konnten. Die Kanäle waren quasi strömungslos und teilweise stark von Seerosen bewachsen.

Durch de lange Trockenperiode waren die Wasserstände auch sehr niedrig und es gab viele Wasserpflanzen. In trockenen Sommern dürfte daher eine Befahrung dieser Strecke noch beschwerlicher werden. Da die Ufer stark mit Schilf bewachsen waren, zelteten wir oftmals direkt bei den Wehren, an denen wir sowieso aussteigen mußten. An einer weiteren Umtragestelle in der Nähe des Dorfes Lentzke kurz vor Fehrbellin fanden wir bei einem weiteren Wehr eine schöne Zeltwiese. Das traf sich gut, da wir einen Pausentag einlegen wollten.

Ich nutzte den Pausentag für einen Spaziergang zu dem beschaulichen Dorf, in dem sich noch eine alte Telefonzelle befand, die aber nur noch als Selbstbedienungsbücherei fungierte. Als ich von meinem Spaziergang zurückkehrte, war ein Unwetter im Anmarsch. Der Wind blies jetzt so stark, daß sich über den trockenen Äckern in der Entfernung riesige Staubwolken bildeten. Zum Glück standen wir mit unserem Zelt recht geschützt, aber es flogen uns schon Äste von den Bäumen um die Ohren. Danach kam starker Regen, und wir mußten die Kocherei ins Zelt verlegen. Nach dem Pausentag ging es weiter Richtung Fehrbellin.

Es galt eine kleine Stromschnelle stromauf zu überwinden, in der wir das Boot hochtreideln konnten. Das nächste eingezeichnete Wehr schien zu unserer Freude nicht mehr zu existieren.

Danach war in Fehrbellin noch ein Steilwehr zu umtragen. Dieses sollte dann auch das letzte von insgesamt elf Wehren gewesen sein, die wir auf dieser Strecke zu überwinden hatten. Das Ganze war entsprechend zeitaufwendig, so daß wir bereits nach 18 Kilometern Tagesleistung hinter der Schleuse Hakenberg unser Zelt aufschlugen. Von nun an gab es keine größeren Hindernisse mehr, und wir paddelten am nächsten Tag durch das Naturschutzgebiet Kremmener Luch und weiter auf dem Ruppiner Kanal bis kurz hinter die Schleuse Hohenbruch. Viel weiter wollten wir an diesem Tag nicht paddeln, da Oranienburg nicht mehr weit war und wir Bedenken hatten, dort keinen einsamen Lagerplatz mehr zu finden.

Wir hatten uns vorgenommen, auf unserer letzten Etappe bis zum Kanu-Verein Falke am Kleinen Wannsee zu paddeln, da wir von dort aus am unkompliziertesten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause kommen würden. Leider waren es von unserem Camp aus knapp 50 Kilometer bis dahin, was uns aber zuviel war, zumal wir es überhaupt nicht eilig hatten. Katharina hat daraufhin auf der Karte einen Zeltplatz in Konradshöhe neben der Bürgerablage entdeckt, der uns noch nie aufgefallen war, obwohl ich dort so oft entlang gepaddelt bin. Nach einem kurzen Telefonat stand fest, daß wir dort trotz Corona-Einschränkungen übernachten könnten. So führte uns die vorletzte Etappe von 28 Kilometern auf bekannten Gewässern über Oranienburg nach Konradshöhe. Der Zeltplatz war schön gelegen. Vom Wasser nur durch den Rad- und Fußweg an der Havel getrennt. Wir bekamen einen Platz in Wassernähe zugewiesen und machten uns daran, unsere letzten Vorräte aufzubrauchen. Mitten in der Nacht wurden wir von einem Fuchs geweckt, der sich gerade daranmachte, unsere Mülltüte auseinanderzunehmen. Am nächsten Morgen beim Kaffeetrinken mußte ich dann leider feststellen, daß der Fuchs unseren Zucker geklaut hatte! Nach dem Frühstück starteten wir bei schönstem Wetter zur letzten Etappe, und wir hatten endlich mal Glück mit dem Wind. Er blies recht kräftig aus Nord. Somit konnten wir unser Treibsegel einsetzen. Dadurch verging die letzte Etappe zum Wannsee wie im Fluge, und wir waren bereits am frühen Nachmittag bei den Falken. Dort wurde das Faltboot gesäubert und getrocknet und alles so verstaut, daß wir möglichst viel Gepäck auf dem Bootswagen unterbringen konnten. Dann rollerten wir mit dem Bootswagen das kurze Stück zum Bahnhof Wannsee und waren eine halbe Stunde später wieder zu Hause. Die Tour hat uns trotz aller Widrigkeiten Spaß gemacht, und es war interessant, mal neue Gewässer zu entdecken. Mit schwer beladenen Faltbooten würde ich die Tour allerdings nicht empfehlen. Robuste PE-Boote wären für den Kanalabschnitt ideal, da man die gefahrlos über die steilen Böschungen ziehen könnte. Im Sommer dürfte der Wasserstand zu niedrig sein.

Offizielle Zeltmöglichkeiten oder Biwakplätze gibt es auf den beschriebenen Gewässern abseits der Havel nicht.